Abschlussresolution des 1. Studierendenpolitischen Ratschlags
Diskussion, Impulse und Aufbruch für eine neue fortschrittliche Studierendenbewegung
Am 2. Und 3. Dezember war es endlich so weit: In der Aula am Waldweg in Göttingen fand der 1. Bundesweite Studierendenpolitische Ratschlag mit insgesamt 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt. Unser Motto: „Studieren in Zeiten der Krise – Aufbruch zu neuen Perspektiven“.
Er wurde mehrere Monate lang bundesweit in örtlichen Vorbereitungsgruppen und zusammengefasst durch die bundesweite Koordinierungsgruppe vorbereitet, um „ein Forum des Erfahrungsaustauschs, der Koordinierung und gesellschaftlichen Positionierung fortschrittlicher Studierender und junger Akademiker“ (Leitlinien, 20.09.23) zu schaffen. Das Ergebnis war ein Wochenende mit Erfahrungsaustausch, tiefgehender Diskussion und Schlussfolgerungen.
Es kamen die brennenden Fragen und Probleme der Studierenden auf den Tisch – Stress im Studium, Auslese, Armut, Machtmissbrauchs durch Professoren, Diskriminierung sowie politische und geistige Disziplinierung und Unterdrückung. Wir diskutierten das vor dem Hintergrund tiefer gesellschaftlicher Krisen, der Tendenz zu Faschismus, akuter Weltkriegsgefahr, der begonnenen Umweltkatastrophe und der Repression von Fluchtbewegungen. Wir haben zahlreiche Forderungen und Lösungsvorschläge entwickelt und über gesellschaftliche Perspektiven, insbesondere den Sozialismus diskutiert.
Wir Studierende lassen uns nicht von der engstirnigen Ausrichtung des kapitalistischen Hochschulsystems auf Karriere, Egoismus und Individualismus unterkriegen. Wir sind kritisch, engagiert und solidarisch, stehen im Austausch mit der Frauen-, Arbeiter, Umwelt-, Flüchtlings-, und Jugendbewegung. Wir sind herausgefordert, uns einzubringen in einen Aufschwung von gesellschaftskritischen Bewegungen. Fortschrittliche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind bei uns willkommen und wir rufen sie zur Beteiligung auf.
Studierende sind keine einheitliche soziale Schicht und kommen aus Arbeiter- bis bürgerlichen Familien und leben in prekären bis finanziell gut gesicherten Verhältnissen. Fast 60% der Studierenden arbeiten neben dem Studium und 38% sind armutsgefährdet. 70% von denen, die nicht bei den Eltern leben, sind von Armut bedroht. Deshalb fordern wir insbesondere für die Masse der Studierenden:
- Erhöhung und Ausweitung des BAföG, welches ein Leben unabhängig von den Eltern ermöglicht, ohne bürokratische Schikanen und mit einem Inflationsausgleich.
- Kampf um einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte (TVStud) mit sozialen Grundrechten, wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub.
- Kampf um günstigen Wohnraum.
- Wir suchen den Schulterschluss mit sozialen und der Arbeiterbewegung: Für die Stärkung der Gewerkschaften auch in den Hochschulen als Kampforganisationen. Wir lernen von den Erfahrungen der Arbeiterbewegung.
- Schaffen wir Solidarität für gegenseitige Hilfe. Wer einen von uns angreift, greift uns alle an.
An Hochschulen wurde mit der Abschaffung des allgemeinpolitischen Mandats und der Rechtsentwicklung die politische Unterdrückung von Kapitalismuskritikern und Revolutionären ausgebaut. Deswegen:
- Für freie politische Betätigung auf antifaschistischer Grundlage.
- Rückgrat und Kampf gegen Rechtsentwicklung, politische und geistige Unterdrückung, gegen Geschichtsrevisionismus und Antikommunismus.
- Kampf gegen Militarisierung der Hochschulen. Bundeswehr raus aus den Hochschulen. Aktiver Widerstand gegen die akute Weltkriegsgefahr!
Der Studierendenpolitische Ratschlag verurteilt alle Formen des Machtmissbrauchs an Hochschulen, wie die Unterdrückung fortschrittlicher Personen und Ideen, die Ausnutzung von Doktoranden und nicht zuletzt die Diskriminierung und Unterdrückung der Frauen. Vorfälle von sexuellen Übergriffen von universitären Mitarbeitenden haben kaum Konsequenzen für die Täter. Oftmals werden sie einfach weiterbeschäftigt. Wir haben den Zusammenhang der besonderen Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen zum Kapitalismus hergestellt. An den Universitäten wird besonders krass der Individualismus durch Ellenbogenmentalität und hohen Leistungsdruck gefördert. Das ist ein Bestandteil des Systems, Frauen klein zu halten und Selbstbewusstsein zu degradieren.Keine Einstellung von universitären Mitarbeitenden bei bestätigten Fällen von Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen!
- Lückenlose Aufklärung und Unterstützung der Betroffenen bei Fällen von Machtmissbrauch bis hin zu Entlassung der Täter!
- Kampf dem Sexismus und den gesellschaftlichen Ursachen!
- Gegen den Abbau demokratischer und erkämpfter Frauenrechte. Gegen die Rechtsentwicklung der Regierung und in der Gesellschaft und gegen die Verbreitung reaktionärer Frauenbilder beispielsweise durch die AfD.
- Schluss mit der Herabwürdigung internationaler Studierender durch Schikanen bei der Anerkennung ihrer Abschlüsse.
Zur Bedrohung durch die globale Umweltkatastrophe wurde diskutiert und vereinheitlicht: Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen. Eine Eigendynamik zerstörerischer Prozesse hat begonnen. Viele Studierende sind schon in der Umweltbewegung aktiv. Wir begrüßen diese Aktivität und meinen aber auch, dass das Ausmaß der Entwicklung in der Umwelt unterschätzt wird. Entweder stirbt der Kapitalismus oder die Menschheit. Das erfordert wirklich revolutionäre Lösungen zur Überwindung des kapitalistischen Weltsystems und eine Gesellschaft, in der Einheit von Mensch und Natur im Mittelpunkt steht.
- Die Diskussion über Einschätzung und Schlussfolgerungen muss breit geführt werden.
- Wir brauchen eine bessere Organisiertheit, Zusammenarbeit von Umweltorganisationen und eine Verbindung mit der Arbeiterbewegung und anderen kämpferischen Bewegungen.
- Wir fördern Formen des aktiven Widerstands, wie Streiks oder Hochschulbesetzungen, gegen die Umweltkatastrophe und für Sofortmaßnahmen.
- Wir fördern eine breite Kritikbewegung an der Verharmlosung der Umweltkatastrophe in der herrschenden Wissenschaft. Für Forschung für fortschrittliche Lösungen statt Unterordnung unter die Profitinteressen von Monopolen!
In dem Forum „Bulimie-Lernen oder kritisch-wissenschaftlich Denken“ wurde aus verschiedenen Fachbereichen berichtet, wie Zeitdruck und Prüfungsmarathon ein regelrechtes System der geistigen Disziplinierung gegen kritisches und fundiertes Lernen organisieren, was eine systemkonforme Denkweise fördern soll.
Über eine kritische Auseinandersetzung mit konkreten Lehrinhalten hinaus brauchen wir eine Bewegung für das freie kritische Denken an den Hochschulen und selbstbewusstes Fertigwerden mit Autoritätsgläubigkeit. Wir diskutierten kontrovers über einen wirklichen Maßstab an Wissenschaftlichkeit entgegen der Untergrabung durch Positivismus und Fragmentierung in Einzelwissen.
- Wir fördern eine Diskussion über den streitbaren Materialismus als eine Bewegung der Kritik an unwissenschaftlichen, systemkonformen Lehrinhalten. Wir sind offen für Auseinandersetzung mit dem dialektischen Materialismus.
- Wir kritisieren das repressive Notensystem und die Regelstudienzeit. Drastische Reduzierung der Prüfungslast, damit wir Zeit gewinnen, in die Tiefe und kritisch zu lernen, statt ständigem Druck, die nötigen Credit-Points zu bekommen.
- Ob als Studierender oder später im Berufsleben: Wir passen uns dem Karrierismus nicht an.
- Wir stärken Initiativen zur fortschrittlichen kritischen Wissenschaft, wie die Offene Akademie und machen sie bekannt. Auch fortschrittliche Hochschulgruppen fördern wir dafür als Organisationsform.
Unter der Masse der Studierenden und Wissenschaftlern fragen wir uns: In welcher Welt wollen wir leben und wofür studieren wir? Der Ratschlag tritt dafür ein, die Offenheit unter den Studierenden für die Diskussion über gesellschaftliche Perspektiven jenseits des Kapitalismus zu fördern, insbesondere für den Sozialismus. Der Ratschlag begrüßt die Diskussion zur Förderung einer sozialistischen Jugendbewegung für die Zukunft der Menschheit und über die Lehren des Verrats des Sozialismus von innen und die Restauration des Kapitalismus. Wir haben das Motto „Gib Antikommunismus keine Chance!“ verwirklicht und tragen es weiter.
Es wurde eindrücklich deutlich: Eine neue fortschrittliche Studierendenbewegung entsteht. Unser Ratschlag ist dazu ein zukunftsweisender Schritt, prägte einen neuen Stil in der Studierendenbewegung, der ermöglicht, dass wir wachsen werden: Überparteilichkeit, weltanschauliche Offenheit auf antifaschistischer Grundlage, eine offene und solidarische Atmosphäre, gemeinsames Demonstrieren mit den berechtigten Anliegen der Studierenden und als Teil des internationalen Umweltkampftags, gemeinsames Feiern mit einem Konzert und tollen Bands und das alles selbstorganisiert und -finanziert. Das wollen wir weiter tragen, breit bekannt machen und uns besser organisieren. Vom Ratschlag geht ein Signal des Aufbruchs mit Rückgrat und klarer Orientierung aus. Das Vertrauen zwischen unterschiedlichen Kräften ist gewachsen. Das alles ist Ergebnis einer systematischen Arbeit. All diese Impulse nehmen wir wieder an unsere Orte und in die Arbeit unserer Organisationen mit.
Wir haben eine neue Koordinierungsgruppe gewählt und beschlossen, in ca. drei Jahren den 2. Studierendenpolitischen Ratschlag durchzuführen, der mit einer größeren Breite auf diesen Ergebnissen aufbaut.
(Beschlossen vom Abschlussplenum am 03.12.23)