Das Forum begann mit einer Begrüßung und Einleitungsbeitrag von Tristan, Lucien, Fabian und Jonathan. Es gab eine Reihe von Impulsbeiträgen und viel Diskussion. Einige Impulsbeiträge, wesentliche Diskussionen und Ergebnisse sollen hier vorgestellt werden.
Impulsbeiträge:
Begrüßung und Einleitung des Forums | Offene Akademie & Vorbereitungsgruppe Göttingen |
Kritik an der unwissenschaftlichen Methode und Prüfungsmethoden der heutigen Medizin | Basisgruppe Medizin Göttingen |
Erfahrungsbericht eines Physik-Studenten | Jonathan |
Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft und die Bedeutung der dialektisch-materialistischen Methode in ihrer Kritik | Redaktion Revolutionärer Weg |
Kritik an der menschenfeindlichen Anwendung der Physik am Beispiel der Entwicklung Oppenheimers | Anti-Atom-Initiative Göttingen |
Kritik an den Bestrebungen reaktionärer Professoren in Tübingen zur antikommunistischen Geschichtsklitterung anhand von Clara Zetkin | Vorbereitungsgruppe Tübingen |
Abschlussresolution des Forums | Anwesende Teilnehmer/innen |
Einige wichtige Punkte des Erfahrungsaustauschs und der Diskussion:
In der Begrüßung und Einleitung heißt es: „„Was jetzt folgt ist definitiv klausurrelevant“. So hört man es oft in den Vorlesungen. Aber welche der Lehrinhalte sind überhaupt relevant für das tägliche Leben? Für wen und was werdet ihr eure Erkenntnisse aus dem Studium später einsetzen? Die Universitäten versichern uns, Forschung und Lehre seien neutral. Diese angebliche „Ideologiefreiheit“ soll aber nur übertünchen, dass die Universitäten sehr wohl eine weltanschauliche und politische Orientierung vorgeben, der sich die Studierenden anzunehmen haben. Kritiker werden entweder totgeschwiegen, ins Lächerliche gezogen oder unterdrückt. Das Lehrkonzept richtet darauf aus, widerspruchslos die Dinge und Inhalte hinzunehmen, überfüllte Wochenpläne sollen den Jugendlichen keine Zeit mehr lassen, sich für Veränderungen zu engagieren, politisch aktiv zu werden.“
Der Erfahrungsaustausch von Studierenden aus den Bereichen Physik, Medizin und Psychologie machte deutlich, wie sehr heute das Prüfungssystem an den Hochschulen ein Auswendiglernen von Einzelfakten fördert und so im Studium das Herstellen von Zusammenhängen und tiefgehendes wissenschaftliches Verständnis der Wirklichkeit zunehmend untergraben wird.
- Es wurde das Beispiel einer typischen Multiple- oder gar Single Choice Klausur im Medizin Studium vorgestellt, in der Fragen aus dem ca. 1100 umfassenden Katalog sich alle paar Jahre wiederholen. Dies hat zur Folge, dass für das Bestehen der Klausur zunehmend die Antworten auf die Fragen auswendig gelernt werden. Es wurde angezweifelt, ob man durch solch ein Medizinstudium zu einer guten Ärztin / Arzt ausgebildet wird.
- Ein humorvoller Erfahrungsbericht eines Physik Studenten zeigte mit witzigen Bildern auf, wie ein enormer Zeitdruck im Physik Studium eine gründliche Befassung mit den Grundlagen der Physik unterminiert. Eine Flut an Stoff und Übungsaufgaben rechnen im „Marathon“ unterminiert die notwendige Vertiefung des Stoffes und bedeutet Auslese.
- Viele Übungsaufgaben („Zettel rechnen“) sind Probleme in der Naturwissenschaft, deren erstmalige Lösung in der Geschichte der Wissenschaft Jahre gebraucht hatte. Jetzt soll ein Student das kurz an einem Nachmittag erledigen, ohne Musterlösung, was zum Abschreiben führt. Die Nützlichkeit von Übungsaufgaben wurde kontrovers diskutiert. Helfen sie ein besseres Verständnis des Themas zu entwickeln und die bewusste Anwendung der dialektischen Methode in der Physik zu trainieren? Oder dienen sie der Ausbildung zum „Rechenknecht“, sich daran zu gewöhnen, Formeln zu schlucken und nur noch anzuwenden?
- Einig waren sich die Teilnehmer des Forums jedoch in der Kritik an dem enormen Zeitdruck, der Vereinzelung des Lernens, der Kritik an dem und der Fragmentierung des Wissens.
- Am 2. Tag wurde mit der Diskussion der Abschlussresolution die Forderung nach genereller Abschaffung des Notensystems diskutiert. Sollten nicht Noten durch ein System der Selbstbewertung mit Rückmeldung durch Hochschullehrer und Kommilitonen ersetzt werden?. Das konnte in der Kürze der Zeit nicht zu Ende geklärt werden. Dass der repressive Charakter des Notensystems kritisiert werden muss, war ein Konsens.
- Das Forum fordert die Abschaffung der Regelstudienzeit, damit sich Studierende kritisch mit ihren Lehrinhalten auseinandersetzen können, statt unter Druck gesetzt zu werden, die nötigen Credit-Points zu bekommen.
- Es mangelt an Räumen zum Austausch unter Studierenden. Solche Orte zum Diskutieren über Lehrinhalte und -methoden müssen geschaffen werden, wo jüngere Studierenden von ihren älteren Kommilitonen lernen können und einen kritischen Geist gegenüber dem das ganze Leben verein nehmenden Universitätssystem zu entwickeln.
Gibt es eine System-rechtfertigende Ideologie in der bürgerlichen Wissenschaft, die ihre Wissenschaftlichkeit untergräbt und eine weltanschauliche Ursache für die kritisierten Lernmethoden ist? Das war eine wichtige These des Impulsbeitrags der Redaktion Revolutionärer Weg. Er setzte sich mit der philosophischen und methodischen Grundlage der heutigen bürgerlichen Wissenschaft auseinander: „Während die bürgerliche Wissenschaft zwar Millionen von Fachartikeln und Einzelerkenntnissen jedes Jahr produziert, ist sie gleichzeitig immer weniger in der Lage, diese Erkenntnisse theoretisch zu verarbeiten, so dass sie ein geschlossenes System bilden. Auch dadurch ist sie kaum in der Lage, daraus wissenschaftliche und wirksame Schlussfolgerungen für die Umsetzung in die Praxis zur Lösung der Menschheits-probleme zu ziehen. Das liegt wesentlich am vorherrschenden Positivismus und Pragmatismus in der bürgerlichen Wissenschaft.“
- Der Beitrag und einige Teilnehmer des Forums vertraten, dass angesichts der riesigen Herausforderungen die vor der Menschheit angesichts der Umweltkrise, der Kriegsgefahr, der Überwindung von Armut etc stehen, wissenschaftlicher Durchblick und Handlungsfähigkeit gefragt sind, um eine lebenswerte Zukunft zu erkämpfen.
- Vertieft wurde in der Diskussion, was eigentlich der positivistische Maßstab in der bürgerlichen Wissenschaft bedeutet: Eine Beschränkung auf Einzelfakten kann niemals zu einem wissenschaftlichen Verständnis, weder der Gesetzmäßigkeiten in der Natur, noch in der Gesellschaft führen. Darin besteht der system-tragende Charakter des Positivismus in der bürgerlichen Wissenschaft.
- Kontrovers diskutiert wurde daraufhin, ob die Untergrabung der Wissenschaftlichkeit der Ausbildung z.B. in der Physik, Psychologie oder Medizin systemisch sind oder nur vereinzelt auftreten.
- Kontrovers diskutiert wurde im Forum die Frage des Zusammenhangs zwischen Inhalt und Methode im Studium. Es gab die Meinung: Eine Liebe zum Thema des Studienfachs darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Wissenschaft und Forschung an den Hochschulen unter dem bürgerlichen Diktat der Monopole nicht in der Lage sind, die gesellschaftlichen Krisen des Kapitalismus zu lösen, sondern dieses System nur stützen. Andere vertraten, das so eine Kritik zu weit führt und dass man sich in der Kritik an Lehrinhalten vor allem auf Experten stützen müsse. Können die Krise der Urknalltheorie nur Experten beurteilen? Oder muss nicht vielmehr auch die breite Masse der Studierenden und der Arbeiter zu einer Kritik befähigt werden, in dem ihre idealistische philosophische Grundlage in der Religion kritisiert wird.
Ein Impulsbeitrag der Anti-Atom-Initiative zeigt auf, wie Robert Oppenheimer von einem linken und progressiven Intellektuellen zum „Vater der Atombombe“ wurde und mit aller Kraft sich für den Abwurf der ersten Atombomben über Hiroshima und Nagasaki einsetzte, obwohl dies für den Sieg über Japan nicht notwendig war.
- In der Diskussion wurde weiter vertieft, welche Rolle der Ehrgeiz Oppenheimer spielte, an der Spitze der Physik stehen zu wollen und mit der Entwicklung der Massenvernichtungswaffe Atombombe seinen ersehnten Platz in den Geschichtsbüchern einzunehmen. Das war entscheidende Triebkraft für seinen Verrat an den fortschrittlichen Kollegen. So lieferte er sogar befreundete Kommunisten den US Geheimdiensten aus.
- Mit der Unterordnung von Wissenschaft unter die Profitinteressen der Konzerne aber auch unter Machtinteressen imperialistischer Regierungen kann die Naturwissenschaft einen gigantischen Schaden an der Menschheit anrichten. Das Beispiel Oppenheimer, verdeutlichte, zu was der Einfluss der bürgerlichen Ideologie in der Naturwissenschaft in der Lage ist.
In dem Impulsbeitrag zur Kritik an den Bestrebungen reaktionärer Professoren in Tübingen zur antikommunistischen Geschichtsklitterung anhand von Clara Zetkin wurde deutlich: Persönlicher Ruf, Ansehen und Beziehungen spielen im bürgerlichen Wissenschafts- und Politikbetrieb eine größere Rolle als eine demokratische und sachliche Vorgehensweise im Sinne von Transparenz und Wahrheitsfindung. Der Protest gegen die Geschichtsklitterung bei Zetkin hat aber auch deutlich gemacht: Wir schauen genau hin und lassen es nicht zu, dass unter dem Deckmantel vorgeblicher Neutralität die Geschichte verdreht wird. Clara Zetkins Kampf um Befreiung, gegen Faschismus und Krieg muss verteidigt und weitergeführt werden.
Als eine Schlussfolgerung diskutierte das Forum am zweiten Tag ob und wie eine Bewegung zur Kritik an reaktionären und unwissenschaftlichen, systemkonformen Lehrinhalten und Prüfungsmethoden entwickelt werden kann.
- Vertreter des wissenschaftlichen Beirats der Offenen Akademie stellten zu Diskussion, dass eine Bewegung des streitbaren Materialismus auch an Hochschulen gefördert werden sollte. Zum Teil fehlte aber zur vertieften Diskussion ein tieferes Verständnis für solche Begriffe wie Materialismus und Positivismus. Es ist notwendig, dass in solch einer Bewegung Maßstab und weltanschauliche Grundlage der Wissenschaft diskutiert wird. Der Mythos von der Neutralität oder Ideologiefreiheit der Wissenschaft in einer von Herrschaftsinteressen des Kapitals geprägten Gesellschaft muss hinterfragt werden. So bedeutet ein positivistischer Wissenschaftsbegriff, der nur einzelne Fakten anerkennt, aber die Zusammenhänge ausblendet im Grunde eine Weltanschauung, die die herrschende kapitalistische Gesellschaft akzeptiert.
- Räume und Diskussion- und Arbeitsgruppen sind dazu unbedingt an Hochschulen nötig. Die Offenen Akademie bietet das bereits an und es ist ein Anliegen des studierendenpolitischen Ratschlags dieses Forum für fortschrittliche kritische Wissenschaft an den Hochschulen bekannt zu machen.