Seit Beginn des Ukrainekriegs erleben wir eine zunehmende Militarisierung der ganzen Gesellschaft. Wenn die Ampelregierung verkündet, dass Deutschland militärische Führungsmacht in Europa werden soll, rückt an den Unis und Forschungseinrichtungen der Kampf gegen die Militärforschung verstärkt in den Mittelpunkt.
So schreibt die Expertenkommission Forschung und Innovation 2023 als Handlungsempfehlung an die Bundesregierung: „(in) Deutschland (sollte die) bestehende strikte Trennung von militärischer und ziviler Forschung überwunden werden, um Synergien zu schaffen.“1 Und bezieht sich dabei konkret auf die 100 Mrd € Sondervermögen für die Bundeswehr und die Herausforderungen aus dem Ukrainekrieg.
Der ehemalige Rektor der Ruhr-Universität Bochum (RUB), Elmar Weiler, sagte noch: „Die Ruhr-Uni Bochum forscht ausschließlich zum Wohle der Gesellschaft“2. In der Zeit seines Rektorats, flossen aber allein vom Bundesministerium für Bildung Forschung min. 2,4 Mio Euro in militärische Projekte wie zur Erforschung von Robotern und Drohnen, Analyse von Personenbewegungen an Flughäfen, Schutz kritischer Brücken und Tunneln oder zur Entwicklung eines wehrpsychologischen Qualitätsmanagementsystems.3 Das dient natürlich durchaus dem „Wohle dieser Gesellschaft“ – zumindest aus Sicht der Kapitalisten.
Diese offiziellen Zahlen sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Viel höher fallen die Summen aus, die in sogenannte „Dual-Use“ Forschung fließt, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dient und so der militärische Hintergrund verschleiert werden kann. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit des Horst-Görtz-Instituts (HGI) für IT-Sicherheit mit der Elektronikfirma Rohde und Schwartz. Diese präsentiert sich selbst als „enger und langjähriger Partner von Regierungsbehörden, sämtlichen Sektoren der Streitkräfte sowie führenden Unternehmen aus Luftfahrt und Verteidigung“4. Sie übernahm eine Firmenausgründung des HGI, mitsamt der an der RUB entwickelten Technik, die nun unter Rohde & Schwarz Cybersecurity GmbH firmiert. Auf dem RUB Campus findet sich auch die Firma Idemia, die biometrische Erkennungssysteme in enger Zusammenarbeit mit Interpol entwickelt und aufbaut, angeblich zur Verbrechensbekämpfung und dem Grenzschutz.
Das Exzellenzcluster CASA – Cyber Security in the Age of Large-Scale Adversaries verfolgt das Ziel, die Abwehr gegen großskalige, insbesondere nationalstaatliche Cyber-Angreifer, zu ermöglichen.
Die Stadt Bochum (mit einer rot-grünen Stadtregierung) meinte gleich mit dieser Forschung punkten und sich als NATO-Stützpunkt für das Führen von Cyberkriegen anbieten zu müssen, ausgerechnet auf dem alten OPEL-Gelände in Bochum. Das wurde zum Glück von der NATO selbst abgelehnt.
Um die Studierenden und Mitarbeiter, die die Militärforschung ablehnen, zu beruhigen, wurde 2014 in NRW die sogenannte „Zivilklausel“ eingeführt, die die direkte Militärforschung an den Hochschulen unterbinden sollte. Trotz Zivilklausel gab es aber allein vom Pentagon 760.000 US-Dollar für Forschungsprojekte an der RUB.5 Zwischen 2008 und 2019 gingen 21,7 Millionen US-Dollar vom Pentagon an deutsche Forscher. Der auf Weiler folgende Rektor der RUB, Axel Schömlerich sagte dazu kaltschnäuzig: „Man kann gegen die Zivilklausel gar nicht verstoßen. Man muss nur begründen, dass die Forschung dem Ultimat friedlicher Zwecke dient. Auch das Erschießen eines Terroristen dient friedlichen Zielen.“6 Mit dieser Argumentation kann wirklich jede Waffenforschung gerechtfertigt werden. Das ist die gleiche Logik, nach der die NATO uns immer als Bündnis zur Verteidigung von Frieden und Demokratie verkauft wird, obwohl sie selbst den Ukraine-Krieg provoziert hat und für viele weitere Kriege verantwortlich ist.
Die Zivilklausel, die eh schon ein Betrugsmanöver ist, wurde 2019 nach nur 5 Jahren wieder abgeschafft, unter Protest von Gewerkschaftern und Studierenden. Das machte der NRW-Landtag auch noch unter dem Slogan „Mehr Freiheit für die Hochschulen“, die jetzt selbst darüber entscheiden sollen, ob sie eine Zivilklausel in ihre Grundsätze schreiben. Friedrich Merz setzt noch einen drauf und sagte im Juli 2023: „Sogenannte Zivilklauseln, die militärische Forschung an den Hochschulen verbieten, sollten aufgehoben werden. Das ist nicht mehr zeitgemäß.“7
Wir sehen also, dass wir zu einem antimilitaristischen Kampf an den Unis und Hochschulen herausgefordert sind. Wir wollen mit euch eure Erfahrungen dazu und was ihr meint, wie man diesen Kampf führen kann diskutieren.
1 Gutachten 2023, Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), S. 13
2Idw-online.de 27.11.2013
3„Zivil-militärische Zusammenarbeit“, bo-alternativ.de 15.4.2010
4 Rohde-schwarz.com
5 „KURT Spezial: Zivilklausel im Hochschulgesetz – Abschaffung in NRW“, nrwvision.de 24.7.2019
6 „KURT Spezial: Zivilklausel im Hochschulgesetz – Abschaffung in NRW“, nrwvision.de 24.7.2019
7 Spiegel.de, 14.7.2023